Bücherprojekt
"Deutsch-Deutsches an Gräbern und Gedenkstätten"



 

 

Bücherprojekt
"Deutsch-Deutsches an Gräbern und Gedenkstätten"

Inhalt Seite
Anstelle eines Prologs – Heinz Knobloch 7
Ein gewisses Ahnen im Waldeckpark – Georg Friedrich Schmidt 21
Ein Grab vor den Toren Berlins – Regine Hildebrandt 59
Eine Grabplatte inmitten einer Wiese voller Blauer Natterköpfe – Wilhelmine Gräfin von Lichtenau 73
Wo Stücke des Bruder Konrads und das Herz der Bayern begraben liegen – Altötting 85
IntermezzoErzählung eines Friedhofbesuchers am Grab eines Großen 109
Ein verlassenes Grab – die Odyssee der Carin Freiin von Fock 115
Das versteckte Grab eines Vergessenen – Erich Kloss
129
Vom Otto Normalverbraucher zum Mister Goldfinger – Gerd Fröbe 151
Intermezzo – Einige Anmerkungen zu Frank Schirrmachers Buch „Das Methusalem-Komplott“
163
Man rief sie Göttin der Freiheit – Libertas Schulze-Boysen
179
Ein Grab in fremder Erde – Annette Freiin von Droste-Hülshoff
193
Martin Luther – Begegnung in der Schlosskirche zu Wittenberg
2xx

 

Leseprobe aus dem Kapitel
„Ein gewisses Ahnen im Waldeckpark – Georg Friedrich Schmidt“
 

6

Bevor ich mich in ein hier fast exotisch wirkendes evangelisch- lutherisches Archiv, wegen Schmitti, über dessen letzte Ruhestätte ich etwas Endgültiges zu erfahren hoffte, flüchtete, kam da noch ein Bild gegangen, was heißt gegangen, geschritten oder besser noch angeschwebt, das dem seligen Muhammad den Turban oder was weiß ich noch alles in die Höhe getrieben hätte, wenn es ihm zu Gesicht gelangt wäre. Im Grabe gewendet hätte der sich voller Entsetzen, dabei aber noch einen Blick riskierend, so beim Umdrehen auf die andere Seite, ein wenig aus den Augenwinkeln heraus.

Was da auf mich zuvibrierte – ich musste richtig zur Seite treten –, war ein lebendig gewordenes Bild aus einer orientalischen Erzählung. Da kam eine mit einem malerisch bunten Kopftuch verhüllte junge, heiße Geschichten verheißende Scheherazade mit dunklen, nein schwarzen, großen Tausendundeiner-Nacht-Märchenaugen, gestylt und durch allerlei schwarze Kosmetik beinahe bis zum Unerträglichen geschminkt. Sie wusste ob ihrer Schönheit, wusste es ganz genau, aber durfte sie so …? Sie steckte in knallengen Jeans, diese schwarz, ihr Hintern – nicht so profan –, also ihr Popochen, im Allgemeinen aus germanischer Sicht ein Problemfall bei Türkinnen – für muslimische Männer gewöhnlich nicht –, neigte nur ein klitzeklein wenig zur späteren Fülle.

Da sah man ein etwas kurz geratenes schwarzes T-Shirt, unter dem ganz ungeniert ein Stück brauner Bauch und ihr gepiercingter Bauchnabel in die wenig deutsche Umgebung neugierten. Und das Bäuchlein nicht etwa bauchtänzerisch schlaffig, wie man es bei ganzkörperverhüllten, fülligen Musliminnen ahnen kann, sondern knackig, die Haut seidig und straff.

Sie war erst so um die achtzehn herum, da ist das so und man kann, ja will, zeigen, was man eigentlich als Muselmanin nicht darf. Dazu reizende Stiefelchen mit Absätzen, die ihre wohl gerade einmal 1,60 Meter Körperhöhe sich in beinahe meine Regionen erstrecken ließen, also in den Bereich von 1,70.

Für mich war das Erscheinen der Schönen ein Offenbaren, ein Andeuten späteren, aufgehübschten Deutschtums. Jedenfalls war ich in meinem fortgeschrittenen Alter doch ganz angetan von so viel exotischer Pracht, vermischt mit westlicher, aktueller Jungmädchenmode.
Doch irgendwie weinerte es an meinem Ohr, als riefe da jemand: „So doch nicht! Widerspruch!“

Das wäre falsch verstandenes Multi-Kulti, greinte da eine „rothe“ Grüne. Vielleicht falsch, das schon, aber ein sehr ansehnliches und zukunftsträchtiges und friedliches, wenn es sich denn durchsetzte. Ich schmunzelte vergnügt vor mich hin. Der Tag war gelaufen. Mochte der Schmidt liegen, wo er wollte.

Mein Mufti, der Allah sei Dank schon weitergegangen war, um andere Ungläubige zu läutern, hätte mir sicher die Hände vors Gesicht gezwängt, damit ich derartiges Entgleisen in meiner nach seiner Ansicht gerade erst gewonnenen Gläubigkeit nicht zu Augen bekäme. Mir offenbarte sich jedoch hier in diesem Moment die personifizierte Hoffnung auf ein zukünftiges, friedliches Ineinanderübergleiten der Kulturen. Schade, dass mir das Erleben der Endphase dieses Prozesses nicht vergönnt sein wird.

© Hanns-Eckard Sternberg 04.2009


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